Quadral Titan, Stand-Lautsprecher

Dass sie abgrundtiefe, rabenschwarze Bässe zu reproduzieren weiß, ist Markenkern der jeweils aktuellen Quadral Titan, und auch, dass sie Pegel souverän verkraftet. Ein »audiophiler Feingeist« sei sie aber nicht, kolportieren Kritiker der Titan. Was wäre das HiFi-Leben doch ohne Vorurteile langweilig.

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Sascha Reckert kenne ich nicht persön­lich, wir beide haben nur telefoniert. Er erzählte mir ein wenig über eine seiner letzten Entwicklungen, die neunte Generation der Lautsprecher­-Legende Quadral Titan. Erfrischend dabei: Reckert strapa­zierte weder mit pseudowissenschaftlichen Beschreibungen noch – und das überraschte mich – mit jedweden Superlativen.

Viel Feind, viel Ehr Die »Aurum Titan«, wie der Lautsprecher amtlich heißt, sei noch kein Lautsprecher in der Kompromisslos­-Liga, aber das Verhältnis von Preis zu Klang, insbesondere unter dem Aspekt »Maximal­dynamik« , stimme. Die »Titan« polarisiert, polarisierte schon immer. Sie hat Fans und Feinde. Wer auf zu vielen Hochzeiten tanzt, sitzt mitunter zwischen allen Stühlen, dachte ich, als ich mir einen Neun­-Minuten­-Clipauf YouTube anschaute, in dem besagter Herr Reckert dem Herrn Obermayer vom »Heimkinoraum« die Nummer 9 vorstellt und erklärt. Nicht meine Welt, ich empfand Sascha Reckert immer noch sehr sympa­thisch und kompetent und die Titan, um die es da ging, war haargenau die gleiche wie im HMJ­-Hörraum. Aber die im Clip kommuni­zierte Anwendung und die damit verbunde­nen Anforderungen hatten mit meinem Thema eigentlich nicht viel gemein. Wäh­rend ich beispielsweise mit geschlossenen Augen Wagner, Mahler und die Rolling Stones höre, starrten Christian Obermayer und Sascha Reckert auf eine gigantische Leinwand, auf der eine dieser typischen mit viel Radau und künstlichem Getöse aufge­peppten Verfolgungsszenen zu sehen war. Dann ging in diesem ominösen Heimkino­raum das Licht an und die Herren grinsten. »Hey, was ver(un)staltet ihr denn da mit ›meiner‹ Titan«, möchte man den beiden zurufen, »fahrt ihr auch mit einem 911er übers Feld und setzt Kartoffeln?«

Die Titan ist also »Heimkino­-tauglich«, wie ich nun weiß, und die Schalter in der Peripherie des Anschlussterminals machen unter dieser Prämisse bestimmt auch Sinn. Mit denen lassen sich, wenngleich auch nur behutsam, Mittel­ und Hochtonzweig an­ heben wie auch moderat absenken. Beim »Bass« hingegen geht es nur in eine Richtung, nämlich lauter. Gut ist, dass in den Positio­nen zwischen »+« und »–«, also linear, die Schalter selbst nicht im Signalweg liegen, ansonsten werkeln sie allenfalls parallel.

Schalten und walten 

Ich benötige diese Schalter nicht. Denn Entwickler Sascha Reckert verfolgt eine Philosophie, die auch die meine ist. Die »Aurum«­Lautsprecher, sagt er, seien tonal neutral abgestimmt mit einer klaren Referenzierung zur Linearität, wie man sie auch von Studiomonitoren erwarte. »Ich halte nichts davon, einer Mode oder einem Geschmack nachzulaufen«, meint Reckert. Für ihn gäbe es keinen »Klassiklautsprecher« oder Boxen für Frauenstimmen. »Es sollte in der Musikreproduktion grundsätzlich für alle Genres mit neutralem Gerät gehört werden, das Künstlerische soll ja schließlich die Aufnahme bringen und nicht der Lautsprecher.« Ende Zitat.

Das ist nicht nur beruhigend zu hören, das weckt Neugier und lässt Vertrauen wachsen. Wenn der gesamte technische Aufwand dem ehrenwerten Ziel dient, eine originalgetreue Wiedergabe zu verwirklichen, bin ich happy (und wenn dann auch Home-Cineasten auf ihre Kosten kommen, ist nichts dagegen einzuwenden – vielleicht fahren sie mit ihrem 911 zur Abwechslung mal auf einer richtigen Straße, den Wagen dafür besitzen sie ja schon.

Technik vom Feinsten 

Öffnen wir die »Motorhaube« der Titan und betrachten die Spezialitäten. Vom »Quadral-typischen Druckkammerreflex-System« ist die Rede, die nach hinten versetzten Tieftöner belegen den technischen Ansatz auch, aber dessen akustische Relevanz dürfte angesichts der recht großen Öffnung vor den Tieftönern eher marginal ausfallen. Wichtiger scheint vielmehr die unmittelbare Nähe des Bass-Reflexkanals zu den Tief- tönern mit Öffnung nach vorne zu sein; Reckert verspricht sich davon sauber-knackige Impulse und geliftete Präzision.

Den in sogenannter D’Appolito-Anordnung um das Hochtonbändchen positionierten Mitteltönern mit einer Membran aus einem Verbundstoff aus Alu, Titan und Magnesium spendierte Reckert extrem potente Magnete. Dass D’Appolito nicht mehr so recht en vogue ist, weiß auch Reckert, interessiert ihn aber allenfalls peripher. Er peile grundsätzlich tiefe Trennfrequenzen für den Bassbereich an, daher müssten die Mitteltöner einiges an Pegel verdauen. Ah ja, deshalb die »Mörder- Antriebe« und – verstehe – zwei statt nur ein Treiber je Box. Dazwischen der mit einem hauseigenen Bändchen bestückte Hochtöner. Die nicht nur theoretisch, sondern im harten Alltagsbetrieb nachweisbar verzerrungsarmen »Tweeter« sind übrigens Neuentwicklungen. Weiter mit Musik.

Kino im Kopf, Konzertsaal im Wohnzimmer: Richard Strauss’ »Till Eulenspiegel« mit der Staatskapelle Dresden unter Karl Böhm, eine Produktion aus den später 1950er- Jahren in Mono (!), rotiert im CD-Player Primare CD35 Prisma: Was für eine Wohltat für Ohren, Gehirn, für alle Sinne.

Große Kapelle und … Die Aufnahme glänzt durch Einfachheit und ist gerade somit authentischer als die mit gefühlt Hunderten von Mikrofonen eingefangenen Mitschnitte heutiger Tage. Natürliche Lebendigkeit ohne kompressives Abtragen dynamischer Spitzen und ebensolches Auffüllen entsprechender Täler, also geglättet, geplättelt, entseelt. Souverän und klangfarben-intensiv meistert die Titan diese Übung, sie scheint diese Lektion fast schon arrogant leicht zu nehmen. Gerade »untenherum«, im Reich der tiefsten Töne, will sie dem Hörer sagen: Trau dich, dreh den Pegelsteller doch noch ein Stück weiter nach rechts. Und den Endstufen: Kannste nicht, willste nicht (oder darfste nicht wegen der Nachbarn)?

Die Titan kann atemberaubend laut spielen. Damit gelingen Performances, die andere, auch noch so exzellent konstruierte Boxen nur im Ansatz wirklichkeitsnah reproduzieren. Live-Konzerte wie das von Fink »Wheels Turn Beneath My Feet« so packend zu präsentieren, dass man meint, in der ers- ten Reihe zu sitzen. Es ist (und auch nur dann, wenn sämtliche Nachbarn im Umkreis von 300 Metern außer Haus weilen) nahezu unmöglich, diese Titan an ihre Grenzen zu fahren. Sie hat, sie muss sie ja auch haben, nur: Ich konnte sie nur im Ansatz erfahren.

Halten wir fest: Die Titan triumphiert in den Disziplinen »Maximal-Pegel«, »Neutralität« und »Bass-Potenz« und sie schafft mitunter die Illusion, einem Livekonzert beizuwohnen. Je komplexer, aufregender, dynamischer die ihr verabreichte Musik, desto überzeugender gerät der Auftritt.

Stehen kleine Ensembles mit eher getragen-ruhiger Musik auf dem Programm, verliert sich der Reiz ein wenig. Da wirkt die Titan wie ein sich bisweilen selbst im Weg stehender Musterschüler, der zwar alles richtig macht, aber seinen Mitschülern kaum ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern vermag. Nein, dass sie bei vermeintlich dauerhafter Unterforde- rung langweilig spiele, trifft es in keiner Weise. In diesen Sphären wirkt sie vielmehr allzu kontrolliert. Sie kann leise hinreißend reproduzieren, aber irgendwie benötigt sie stets den dynamischen Kontrast. Sie baut nicht nur den Spannungsbogen in der Musik auf, sie benötigt ihn auch. Wenn der Tonträger das hergibt, geht für Audiophile wie mich die Rechnung voll auf.

Mein persönlicher Musikgeschmack und die Gangart der Titan passen zusammen wie Topf und Deckel. Wäre allein damit unser Urteil gefällt worden, die Titan 9 hätte die Höchstnote ergattert.

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