Thorens TD 907/TP 92, Plattenspieler

Keine falsche Bescheidenheit: Das aktuelle Referenz-Laufwerk von Thorens, der Plattenspieler TD 907, setzt zwar optisch auf Understatement, hat es aber faustdick hinter den schnieken Holzwangen. Weil ihn einer der ganz Großen unter den weltweit erfolgreichen Entwicklern designte. Nicht nur optisch, versteht sich. Wer einem Plattenspieler wirklich zum besten Klang verhelfen will, benötigt herausragende Kenntnisse über Materialien und deren Eigenleben. »Masse« allein bringt noch lange nicht Klasse.

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Mit 11.000 Euro ist die aktuelle Referenz von Thorens nicht gerade ein Schnäppchen – aber das Geld ist gut angelegt.

Erst der unmittelbare Vergleich offenbart, wie unter- oder überdurchschnittlich ein Plattenspieler seine Runden dreht. Um Qualitäten zu entdecken oder herauszuarbeiten, schließt der Juror am besten die Augen und verkostet blind: Mächtige Masse-Laufwerke mit glitzernder Tonarm-Konstruktion und hochpreisigen Tonabnehmern vermitteln bereits im Stillstand erstaunliches High-End-Flair. Die Boliden genießen folglich gewisse Boni, da sie teilweise bizarr schwer und folglich auch entsprechend teuer gehandelt werden. Das Auge hört mit.

Klavier hilft auf die Sprünge Das aber kann der erfahrene Hörer durchaus ausblen- den, indem er ihm bekannte Vinyl-Scheiben auf den Teller der Probanden legt und lauscht. Doch woran ist nun zu erkennen, ob der eine oder der andere Dreher überlegen ist? Messen wir mit dem wertvollsten und teuersten Instrument der Welt, den Ohren. Will ich wissen, wie gut ein analoges Laufwerk seine Dienste verrichtet, greife ich zu einer Scheibe, deren beide Seiten ich noch nie zusammenhängend abspielte und auch nicht im Traum daran denke, das jemals zu tun. Es wäre ein Albtraum. »Super Touch«, ein Direktschnitt aus dem Jahre 1977 mit einem gewissen Susumu Arima an einem Konzert-Flügel, gilt als musikalisch grenzwertig, offenbart aber auf recht brutale Weise das Qualitäts-Level eines Plattenspielers. Arima strapaziert mit extrem energischen Anschlägen Instrument (und Hörer), erzeugt damit zwar keine schöne Musik, aber ein prima Testverfahren. Praktisch jeder Plattendreher reproduziert das Tasteninstrument mit einer mehr oder minder starken Jaul-Neigung. Damit wir uns hier nicht missverstehen und die sprichwörtliche Kirche im hifidelen Dorf lassen: Von der Jauleritis sind sämtliche mit einem Riemen angetriebenen Laufwerke betroffen, selbst eine der berühmtesten Legenden, der Goldmund Reference (galt mal als bester Plattenspieler aller Zeiten) parierte die Höllen-Scheibe nicht ohne Beanstandungen. Spätestens in der Nähe der Auslaufrille stieß der Bolide an die Grenze seines Riemenantriebs.

Die Frage ist also, wie gut sich ein Proband aus der Affäre zieht, wie schwach er diese Neigung entwickelt. Je schwächer der Effekt zu vernehmen ist, desto folglich stärker gelang den Entwicklern die Maschine.

Dem TD 907, rein optisch an längst vergangene Tage mit den Uralt-Ahnen TD 150 oder 160 erinnernd, traute ich nicht zu, was mir Herr Arima gleich zu Beginn meiner Testreihen zu verstehen gab: Der Prüfling meisterte die Aufgabe fast auf Ideallinie. Wenn man nicht weiß, worauf man achten soll, könnte der noch verbliebene Jaul-Anteil unter die Wahrnehmungsgrenze fallen.

Thorens, die älteste HiFi-Schmiede der Welt, hat mit Gunter Kürten seit letztem Jahr einen neuen Eigentümer. WelchenLeuten was gehört, schert in der Regel keinen Leser, in dem Fall sei eine Ausnahme gemacht. Kürten atmet Thorens. Und zwar »ein« wie »aus«. Deshalb sind sich meine Kollegen und ich einig und sicher, dass wir schon in absehbarer Zeit wirklich innovative, von Grund auf, aber im Sinne der Thorens-Tradition entwickelte Produkte zu sehen und zu hören bekommen. Ein Garant dafür könnte Helmut Thiele sein, den mir Kürten als Entwickler des 907 vorstellte. Obwohl, »vorstellen« brauchte er ihn nicht. Sie und ich, wir werden schon über zig Produkte gelesen haben oder diese auch besitzen, die Helmut Thiele entwickelte. Er gehört zum Kreis dieser Entwickler-Kory-phäen um Karl-Heinz Fink, Walter Fuchs oder Alfred Rudolph vom Audioforum in Duisburg, das als eine der wichtigsten Keimzellen von High End in Deutschland gilt.

Von Hause aus ist Thiele Diplom-Designer. Dabei führt der Titel ein wenig in die Irre. Sicher ist er auch für die gelungene Optik des 907 verantwortlich, aber Thiele entwickelte auch dessen innere Werte. Das hat er nämlich auch drauf, der Mann, der mit einem Maschinenbau-Studium startete und dessen Diplom-Arbeit übrigens ein wunderschöner Tonarm war. Auch der sah (und sieht) nicht nur super aus, er funktioniert auch astrein.

Kunst kommt von Können Thiele, wird mir im Gespräch mit ihm klar, entwickelt von innen nach außen. Sensibel spürt er die Gene von Thorens auf, interpretiert sie mit den Werkstoffen von heute neu, schaut sich jedes Detail, selbst noch das kleinste Schräubchen, genau an, fühlt es, setzt es in den Kontext zu allen anderen Bestandteilen und formt daraus eine Komponente. Das ist (s)eine Gabe – das sind Talent, Erfahrung und Wissen.

Dass die amtierende Referenz von Thorens mit einem Subchassis aufwartet, ist klar und vorbestimmt; wie es konstruktiv ausgelegt wurde, weniger. Für Verwirrung sorgt beispielsweise ein auf der Rückseite herausragender Hebel. Damit lässt sich die Dämpfung der Konstruktion beeinflussen. Dieser Kniff dürfte einzigartig sein. Ohne dabei gewesen zu sein, kann ich mir vorstellen, dass so einer wie Karl-Heinz Fink, seines Zeichen einer der erfolgreichsten Lautsprecher-Entwickler weltweit, mit einer der Impulsgeber für die Idee, zumindest aber deren Umsetzung war. Konkret verbaute Thiele nämlich eine (Lautsprecher ?)-Membran mit Sicke auf der Bodenplatte des 907. Das davon eingeschlossene Luftpolster wirkt wie ein Dämpfer für das mit drei Kegelfedern realisierte Subchassis. Straff oder »lasch«, also mit mehr oder weniger Dichtigkeit. Der luftige Spaß lässt sich auch während des Betriebs mit besagtem Hebel feinfühlig dosieren.

Apropos feinfühlig : Der gerade und unspektakulär daherkommende Tonarm TP 92 in einer 10-Zoll-Version ist ein Geniestreich. Präzise wie das beste Schweizer Uhrwerk, geometrisch, akustisch und vom Handling top. Ober-Top. Kein Lagerspiel, gut zu justie- ren und zu montieren. Da fällt mir ein: Über den Klang eines Tonarms sollte man eigent- lich keine Silbe verlieren. Ein richtig guter Tonarm klingt nicht, er ist akustisch über- haupt nicht vorhanden, führt exakt den ihm anvertrauten, verschraubten Abtaster, reso- niert nicht, glänzt also durch (hörbare) Abwesenheit. Der TP 92 kostet einzeln 1000 Euro. Ein fairer Preis für eine fantastische Performance.

Ring frei Susumu Arima steht wieder aufrecht im Plattenschrank, der Japaner hat seine Pflicht getan: Technische Mängel an Antrieb, Lager und Co.? – Fehlanzeige. Lassen wir Platten mit musikalischem Gehalt auf dem 1,8 Kilogramm schweren, mit Aluminium und Acryl aufgebauten, Teller rotieren.

Richard Wagner »Das Rheingold« mit den Wiener Philharmonikern unter Georg Solti aus den späten 1950er Jahren auf Decca. Schwarzes Gold. Ich lege es grundsätzlich nur auf, wenn mir Plattenspieler das vollkommen sichere Gefühl vermitteln, dass die Platten auch unversehrt wieder in die Schutzhülle gelangen. Ein in die Jahre gekommenes, aber immer noch tadellos funktionierendes »Clearaudio Insider Gold« senkt sich (in der Kür) aufs Vinyl und ein tiefer, klarer Einblick in die Welt Wagners offenbart sich auf dramatische, betörende, glückselige Weise. Geschuldet ist dies auch der ungewöhnlich präzisen Aufnahme, welche die Atmosphäre eines Theaters weitgehend erhielt und welche die damals neue Technik »Stereo« im Sinne oder besser : »im Auftrag« des Komponisten einsetzte. Der Perfektionist hatte nämlich Auftritte und Wege der Interpreten in seinen Werken exakt festgelegt und die Stereophonie machte dies erstmalig hörbar. Beispiele gefällig? »So gehen Wotan und Loge am Ende der 2. Szene rechts ab, wenn sie nach Nibelheim hinuntersteigen, und sie erschei- nen wieder an der gleichen Seite zu Beginn der 4. Szene. Am Schluss dieser Szene begibt sich Loge nach links, an den Fuß der Regen-bogenbrücke, und das Tal, in das er hinunterblickt und woraus wir die Rheintöchter hören, breitet sich über die ganze hintere Bühne aus.« Ergreifend. Dass die Verant- wortlichen vor nunmehr 60 Jahren keine Mühen (und auch kein Geld) scheuten, die Aufnahme so perfekt wie möglich zu gestalten, können wir dank eines Plattenspielers wie dem Thorens TD 907 heute, morgen und auch übermorgen noch nachvollziehen :Den Donner produzierte eine eigens in Linz hergestellte riesige Metallplatte und tatsächlich brachten die Wiener Philharmoniker acht- zehn sehr reale Ambosse zum Klingen.Mit- unter wirkte der Hang zur Perfektion aus heutiger Sicht bizarr, wenn sechzig »Knaben« aus einem Kinderheim die hörbar gequälten Nibelungen darstellten.

Der Thorens TD 907: Eine Offerte für alle, die einen charaktervollen Plattenspieler für die Ewigkeit suchen.

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