Für Zeitgenossen, die um Magazine wie das HIFI & Musik Journal einen großen Bogen machen und auch die anderen einschlägigen Zeitschriften nicht kennen, dürfte der Preis für ein Laufwerk mit Tonarm von 6000 Euro bizarr teuer erscheinen. Unter uns Freaks darf man es ja sagen: In Wahrheit ist es unverschämt günstig.
Eigentlich bin ich mit Plattenspielern »durch«. Nicht in dem Sinne, dass sie mich nicht interessieren. Bewahre!
Aber sie können mich nicht mehr so überraschen wie zu Beginn meiner aktiven HiFi- Zeit: als raffiniert ausgefuchste Konstruktionen wie der Zarathustra von Simon Yorke mehrmals so kostspielige Drehwerke an die sprichwörtliche Wand spielten. Das ist der Fluch der Erfahrung: Man wird reifer, weiß Marketing-Hülsen von ernsthaften Aussagen zu trennen. Und so bekommt man in der Regel eine ziemlich konkrete Vorstellung vom zu erwartenden Klangerlebnis, wenn das noch unerhörte Laufwerk von Herstellern und Vertrieben erläutert wird.
Gut, besser, AVM Udo Besser, seit einigen Jahren Eigentümer und Motor der badischen High-End-Manufaktur AVM, schaute vorbei und brachte ohne viel Tamtam das Modell 5.3 in die Redaktion. Weshalb es dazu kam, dass AVM nun auch Plattenspieler im Portfolio führen? Er habe eigentlich ein Laufwerk für seinen Sohn bauen wollen, bei der Umsetzung aber schnell bemerkt, wie kompliziert die Entwicklung eines Drehwerkes sei. Just aus dem Grund habe er sich umgeschaut, wer ihm bei der Umsetzung seiner Ideen unter die konstruktiven Arme greifen könne. Damit wir uns hier nicht missverstehen: Nahezu alle Plattenspieler, die von Firmen angeboten werden, die keine Historie im analogen Laufwerks-Bau besitzen, sind so genannte »OEM«-Produkte. Diese »Original Equipment Manufacturer« sind im High End Firmen, die Sie und ich dem Namen nach sehr gut kennen, oder in den Sphären gewöhnlichen HiFis Unternehmen, die meist in der Sonderwirtschaftszone Chinas angesiedelt sind. In beiden Fällen spricht und schreibt man nicht darüber. Umso erfrischender, dass Udo Besser ohne falsche Scham erwähnt, die unter High Endern sehr geschätzte Schmiede EAT in Österreich habe das Werk vollbracht.
Wer hat’s erfunden? Wie muss ich mir das vorstellen? Ruft der Herr Besser die Frau Lichtenegger von EAT an und bestellt Plattenspieler, wahlweise mit schwarzer und silberfarbiger Metallhaut, passend zu den Elektronik-Komponenten aus Malsch? Bitte garniert mit ein paar blauen Leuchtdioden, wie sie auch bei den übrigen Gerätschaften zu finden sind. »Blau« , erwähnt Besser noch, sei die ja schließlich Stammfarbe seiner Marke. Wenn es so ist, trumpft Jozefina Lichtenegger auf, könne man auch die Plattenteller entsprechend blau erstrahlen las sen. Gegen Aufpreis. Machen wir. Deal !
Der Witz ist: Im Gegensatz zu vielen anderen Mitbewerbern, die lediglich so tun, als ob sie einen Plattenspieler selbst entwickelten, handelt es sich beim 5.3 tatsächlich um eine Konstruktion, die maßgeblich die Handschrift von Udo Besser trägt. Besonders am 10-ZollTonarm aus poliertem Aluminium wird das erkennbar; eine wunderschöne, bis ins letzte Detail von ihm ersonnene Eigenkonstruktion. Dass hier Bauteile von EAT – wenn auch nicht auf den ersten Blick erkennbar – Verwendung fan den … ja und? Das schmälert die Leistung überhaupt nicht.
Jeder Zoll ein Gentleman Der Arm lässt sich sehr präzise und einfach justieren, die eigenständige Anti-AntiSkatingEinrichtung ist regelrecht pfiffig, funktionell verbietet sich Kritik. Was zum vollendeten Analog-Glück vielleicht noch fehlt, ist allenfalls eine Markierung, die den Mittelpunkt des Tonarm Lagers nicht erraten, sondern exakt bestimmen lassen sollte. Eine Reihe von Einstell- Schablonen (beispielsweise die Clearaudio IEC) fänden so bessere Arbeitsbedingungen vor.
Masse mit Klasse Der Tonarm gilt als »mittelschwer«, sollte sich also mit nahezu sämtlichen Tonabnehmern der Welt prächtig verstehen, das Laufwerk selbst zählt zur Spezies der »Masse-Dreher«: Das feinst verarbeitete Aluminium ummantelt einen fünf Zentimeter dicken Block aus HDF (hoch- dichte Faser), im Verbund wollen sie unerwünschten Resonanzen den Garaus machen. Präzision und das Wissen um Material-Eigenschaften sind halt die natürlichen Feinde von klangschädlichen Resonanzen. Das mit Stahl, Messing und Teflon realisierte Plattentellerlager erscheint »perfekt« und der Antrieb mit Kräfte-austarie- render Umlenkrolle schlicht clever.
Den guten Eindruck mag das Stecker- Netzteil stören, das bei einer exportorientierten Manufaktur, wie es AVM ist, durch- aus sinnvoll ist. So bedarf es nur geringen Aufwands, die Plattenspieler auch in fremden Stromnetzen betreiben zu können. Udo Besser hat einfach wesentliche Teile der Schaltung für die effiziente Regelung seiner Dreher im Laufwerk selbst untergebracht – ein schlauer Schachzug.
Weshalb allerdings das Anschluss-Terminal mit Cinchbuchsen plus Erdungsklemme derart unbequem zu erreichen ist, trübt den ersten, ansonsten großartigen Eindruck wirklich. Sind die Verbinder dort angedockt, ist es okay – gleichwohl sollte das Anschluss-Kästchen ein paar Zentimeter näher an den Rand wandern.
Verbesserungen im Detail Ein letzter Wunsch wäre ein – zumindest optional – Abgang für XLR-Verbinder –, handelt es sich doch bei Tonabnehmer um eine reinrassige symmetrisch werkelnde Quelle.
Für den ersten Höreindruck montierte ich einen noch preisgünstigen MC-Abtaster von Clearaudio (Concept MC, um 500 €), hievte den 17 Kilogramm schweren R 5.3 auf ein triviales Tischlein (Ikea »Lack«, um 8 €), legte eine mir bestens bekannte Scheibe auf den dicken Teller aus Acryl, senkte den Tonarm ab und lauschte, was passieren würde. Formulieren es wir es mal gaaanz vorsichtig: Was ich an diesem und an den nächsten Tagen und Wochen zu hören bekam, erschütterte mein Plattenspieler- Weltbild nachhaltig: Absolut betrachtet kenne ich keinen Plattenspieler unter 20 000 Euro, der so zupackend, dynamisch faszinierend, ultrapräzise, lebendig, emotional beglückend, herzergreifend aufspielt wie dieser AVM. Dieser 5.3 reproduzierte nicht wie ein typischer Riementriebler, selbst die härtesten Klavieranschläge am Rillenrand wurden dermaßen authentisch reproduziert, dass die Illusion eines tatsächlich im Raum platzierten Flügels aufkam. Ich hatte dank Streaming via Tidal und Co. schon ein wenig Lust an der Platte verloren. Jetzt ist sie wieder da. Vielleicht stärker und befriedigender als in den Jahren zuvor. Die beste Komponente in dieser Ausgabe (HMJ 1/19)
Die erste HMJ-Ausgabe, die mir in einem Bahnhof-Zeitschriftenhandel “ins Auge fiel”, war die Ausgabe 3/2019 im November 2019, obwohl sie für den September vorgesehen war. Der beste Artikel in dieser Zeitschrift ist der erste Teil von Eimannsberger Einsichten (Real!-Satire, nicht Real?-Satire). Darauf hin kaufte ich mir auch die
Ausgabe 1/2020 um mir auch den 2. Teil nicht entgehen zu lassen. Chefredakteur und Mitherausgeber Joachim Pfeiffer scheint aus diesen beiden “Einsichten” nichts
gelernt zu haben. Seine 1. Leitlinie “Wir sind eine Zeitschrift für den Leser – und nur
ihm verpflichtet” mißachtet er bereits beim Test der Nubert-Kompaktbox Nuline 34. Da behauptet er: “Da ergibt es Sinn, im Handel zu vergleichen…” Ich bin der
Leser und wenn ich ganz bewußt beim Direktversender einkaufe, dann hat das schon seinen Sinn. Da kann ich in meinen eigenen vier Wänden die Lautsprecher weit besser beurteilen. Die Raumakustik bei mir und nicht die beim Händler gibt
den Ausschlag für den Kauf ! Das und noch mehrere andere Gründe (Leitlinie
Nr.9) und Lautsprecherkabel für 5000 Euro !! Oder eine Matte für den Plattenteller
für 95 Euro, die maximal 15 Euro wert ist… halten mich davon ab, das HMJ-Journal weiterhin zu kaufen.
Wenn schon die beigelegten Nubert-Kabel klasse sind, für was braucht es dann völlig überteuerte Kabel, die man bei einem Blindtest mit weit preiswerteren Kabeln gehörmäßig nicht auseinander halten kann ?
Gruß
Otmar Geckle